Bericht

Ein dreiviertel Jahr nachdem der Grundstein für das zahnärztliche Projekt im St. Gabriel‘s Hospital in Namitete, Malawi, vom ersten Team gelegt wurde, sollten nun die Beziehungen vertieft werden und weitere Schritte in Richtung permanente Dental Ward (Zahnarztstation) gegangen werden. Unser Team stellte sich aus drei frisch gebackenen Zahnärzten, die im Monat zuvor ihr Staatsexamen erfolgreich bestanden haben (Yannick Mözl, Manuel Groß und Marc Hofmann), dem Zahnarzt Niklas Reisenauer und der Zahnärztin Verena Clausen, die sich beide in der Assistenzzeit befinden, als auch unserem „Gruppen-Opa“ Harry dem Zahnarzt und Arzt Harald Flügge, zusammen. Im Vorhinein gab es für unser sechsköpfiges Team einiges zu organisieren: sowohl formal, als auch materiell. Neben einigen durchzuführenden Impfungen, der Kontaktpflege mit dem Krankenhausdirektor Dr. Mbeya und dem Vorstandsteam von Planet Action, mussten wir uns unter anderem der Hauptarbeit der Spendenakquise widmen. Das Equipment des ersten Teams wurde komplett für die Einsätze nach Madagaskar verschifft und so mussten wir von Null an beginnen das Instrumentarium, die Verbrauchsmaterialien wie zum Beispiel Tupfer, Handschuhe, Füllungsmaterialien, Sauger und alles, was zu einer zahnärztlichen Hilfsstation gehört, über Spenden zu sammeln. Neben den unzähligen Materialien haben wir es außerdem geschafft, genügend Geldspenden zu sammeln, um unsere Kosten, wie zum Beispiel die Transportkosten für das ca. 150 kg schwere Gepäck, den Kauf von Medikamenten und Lokalanästhetikum sowie die zu verschenkenden Zahnbürsten, zu decken. An dieser Stelle möchten wir ein herzliches Dankeschön an alle Spender richten, ohne deren Hilfe und Engagement unser Einsatz so nicht durchführbar gewesen wäre.

Unsere, für afrikanische Verhältnisse sehr komfortable Unterkunft, lag nur wenige Schritte vom Krankenhaus St. Gabriel‘s entfernt auf dem Krankenhausgelände. Für uns Europäer war

es dennoch eine ziemliche Umgewöhnung, am Tag nur für vier Stunden Strom zu haben. Um uns unabhängig vom Strom zu machen, haben wir uns einen kleinen Grill gekauft, damit wir auf Holzkohle kochen konnten, wann immer wir wollten. Frisches selbstgeerntetes Gemüse und Kleinigkeiten konnten im nahegelegenen Dorf erworben werden, für größere Einkäufe mussten wir in die ca. 50 km entfernte Hauptstadt Lilongwe fahren. Eine Cafeteria, die zum Hospital gehört, bot regionale Gerichte wie z.B. „Sima“ - eine Mischung aus Reis und Mais an, die für unseren Gaumen aber auch gewöhnungsbedürftig, da geschmacklos (!) waren.

Für unsere Behandlungen wurde kurzerhand der Besprechungsraum des Krankenhauses umfunktioniert, sodass wir genügend Platz für 4 Liegen und unser Material hatten. Auch wenn Englisch die Amtssprache in Malawi ist, verständigt sich die ländliche Bevölkerung ausschließlich auf Chichewa, ihrer Mutter- bzw. Nationalsprache. Um die Kommunikationsschwierigkeiten zu überwinden hat uns das Krankenhaus Personal bereitgestellt, welches für uns übersetzte, sich um die Reinigung und Sterilisation der Instrumente kümmerte und für alle anderen Fragen da war. So traf die deutsche Arbeitskultur direkt auf die afrikanische, was uns alle in Geduld hat üben lassen - da sich in einigen Bereichen die Uhr in Afrika eben noch langsamer dreht als bei uns zu Hause. In den folgenden Wochen durften wir auch Zeugen einer Engelsgeduld werden, die die Menschen, die teilweise von sehr weit her zu Fuß oder mit Verkehrsmitteln anreisten, an den Tag legten. Im Schnitt konnten wir ca. 50 Patienten pro Tag behandeln. Das Bewusstsein für die eigenen Zähne bzw. deren Pflege ist in der einfachen Bevölkerung noch nicht vorhanden. Wenn ein Zahn Schmerzen bereitet, so sind die Menschen nicht zögerlich in ihrer Entscheidung ihn entfernen zu lassen. Es stellte sich schnell heraus, dass unser Hauptaufgabengebiet die Zahnextraktion („das Ziehen von Zähnen“) sein wird und Füllungen nur eine Nebenrolle spielen sollten. So haben wir insgesamt an unseren 15 Arbeitstagen im St. Gabriel‘s ca. 800 Menschen behandelt, 1500 Zähne gezogen und ca. 60 Füllungen gelegt.

Dank der guten Zusammenarbeit mit Herrn Dr. Winter und der großzügigen Spende des Hilfswerks deutscher Zahnärzte konnten wir eine Mobile Dentale Einheit für diesen Standort erwerben, was es uns überhaupt erst möglich machte, Füllungen zu legen oder auch komplizierte Wurzelreste mit Hilfe von Fräsen und Bohrern zu entfernen. Diese neue Errungenschaft kam direkt zu Anfang des ersten Tages zum Einsatz. Allerdings lief auch die Behandlung mit der Einheit nicht problemlos, denn man musste immer wieder auf Wackelkontakte in der Stromzufuhr achten. Die Kraft der kleinen Einheit war teils zu gering, um stets kontinuierlich zu arbeiten. Dennoch kamen wir auch hier mit Geduld ans Ziel und konnten einige Zähne doch noch durch Knochenabtragung oder Zahnspaltung entfernen, was ohne die Maschine sonst nicht möglich gewesen wäre.

In Malawi Entwicklungsarbeit zu leisten ist nicht einfach. Die ländliche Bevölkerung ist größtenteils ungebildet und leidet ohne fließend Wasser, mangelnder Nahrung, usw. an existentiellen Nöten. Zahnhygiene und Prophylaxe ist deshalb in den meisten Köpfen der Malawier noch nicht angekommen und das wenige zur Verfügung stehende Geld, wird natürlich nicht für Zahnpflegeprodukte, sondern für lebenswichtige Nahrungsmittel und andere Basisartikel ausgegeben. Diese Umstände spiegeln sich natürlich im Zustand der Mundgesundheit wider. In vielen Fällen, sei es bei Kindern oder auch bei jungen Erwachsenen, lässt sich ein desaströser Zustand des Gebisses und Zahnhalteapparates vorfinden, begleitet von oftmals starkem Mundgeruch.

Es muss jedes Mal gut zwischen zahnmedizinisch notwendigen Extraktionen und den Risiken wie Nachblutungen und das hinterlassen einer größeren Wundfläche, die sich evtl. entzünden könnte, abgewogen werden, da sorgfältige Wundpflege Seitens des Patienten oft schwierig ist. Und nicht nur für Nachbehandlungen ist es von großer Bedeutung, dass der Standort in Namitete eine kontinuierliche zahnärztliche Versorgung zur Verfügung hat.

Sehr gut in Erinnerung ist uns noch ein Fall, bei dem ein junger Mann einen Fahrradunfall hatte und sich bei uns mit einigen Weichteilverletzungen und zum Teil schon größeren Narben der Lederhaut vorstellte. Neben ein paar lockeren Zähnen, enthielt seine Zunge einen tiefen Riss. Dieser Fall spiegelt die medizinische Versorgung in Malawi deutlich wider. Das St. Gabriel‘s verfügt nicht über eine kieferchirurgische Abteilung, kann also nur begrenzt helfen. Der Weg in die Klinik der Hauptstadt ist zu weit und die Kosten zu hoch. Dabei war es zur Vermeidung von Wundheilungskomplikationen notwendig die Wunde sauber zu vernähen. In der Zeit, in der wir vor Ort waren, ist ebenfalls ein Mann, der bereits stationär aufgenommen wurde, an einem Abszess, ausgehend von einem Zahn, verstorben. Leider konnten wir nicht mehr helfen, da die Entzündung zu weit fortgeschritten und sein Allgemeinzustand bereits zu schlecht war. Unter diesen Gesichtspunkten wäre eine permanente zahnärztliche Station im St. Gabriel‘s eine riesige Errungenschaft.

In Malawi ist fast niemand in der ländlichen Bevölkerung krankenversichert. Medikamente und Behandlungen müssen privat bezahlt werden. Für viele sind das schmerzliche Preise, da sie oftmals nicht nur für sich selbst, sondern auch für zahlreiche Kinder aufkommen müssen. Daher wurde unsere kostenfreie Behandlung sehr rege in Anspruch genommen.

Während unseres Aufenthalts fuhren wir außerdem noch in zwei Schulen, um neben unserer Behandlung auch Aufklärung als eines der wichtigsten Elemente unserer Arbeit zu betreiben. Die Regierung ermöglicht den malawischen Kindern eine Schulausbildung, die nicht verpflichtend ist. Die Ausbildung danach ist aber wieder aus der eigenen Tasche zu zahlen, sodass viele Kinder nach der Primary School doch wieder gezwungen sind ihren Lebensunterhalt durch Landwirtschaft in Handarbeit zu bestreiten. Einige Familien sehen es aus dem Grund nicht ein, ihre Kinder, die genauso gut bei der Ernte mithelfen können, zur Schule zu schicken.

Als wir bei unserer ersten Schule ankamen, war der Direktor sehr interessiert an unserem Projekt und stellte nicht ganz unkritische Fragen bezüglich der Nachhaltigkeit. Auch wir haben uns Gedanken darüber gemacht, da selbst grundlegende Dinge wie Hände und Gesicht waschen noch nicht zum afrikanischen Alltag gehören. Da Kinder und Eltern die Wichtigkeit der Mundhygiene noch nicht begreifen, sollte man die Lehrer mit einbinden und eine feste Zahnputzstation in der Schule aufbauen. Ansonsten bleiben unsere Zahnputzaktionen wohl „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Aber da sich das Rad der Veränderung nur sehr langsam dreht, werden das wohl Projektideen für die nächsten Jahre darstellen.

Dennoch ließen wir uns nicht entmutigen und legten den Grundstein durch anschauliche Vorträge in mehreren Durchgängen für die Kinder der ersten bis dritten Klasse. Mit großen Putzmodellen zeigten wir, wie man sich richtig die Zähne putzt und klärten auf, wie wichtig Mundhygiene ist. Hier stand uns ein sehr empathischer Lehrer zur Seite, der den Kindern unser Englisch lebhaft übersetzte. Die Kinder lauschten gespannt und beobachteten alles was „vorne“ vor sich ging mit großen Augen. Nachdem jedes Kind selbst Zahnbürste und Zahnpasta erhalten hatte, putzten wir uns in einer großen Übung gemeinsam die Zähne. Das bereitete den Kindern viel Spaß und wir hoffen natürlich, dass sie das Gelernte mit nach Hause tragen und wenigstens noch ein paar Mal anwenden werden. Der Großteil der Kinder hatte zum ersten Mal eine Zahnbürste und Zahnpasta in der Hand. Die Aufklärung erfolgte deshalb grundlegend und man musste ihnen sogar erklären, dass man die Tube drücken muss, damit etwas Zahnpasta herauskommt. Hierbei möchten wir nochmals erwähnen, dass auch dieses Programm ohne die großzügigen Sach- und Geldspenden nicht hätte stattfinden können!

Auch wenn die Menschen mit ihrer großen Not zurechtkommen müssen, bewahren sie ihre Lebensfreude und sind in weiten Teilen ein sehr herzliches Volk, wie wir in unserer Freizeit oder bei Ausflügen an den Malawisee erlebten. Leider kam beim Behandeln diese lebensfrohe Seite oft nicht zum Vorschein, da die Menschen vermutlich aus Einschüchterung und Angst kaum mit uns gesprochen oder uns auch nur angesehen haben.

Im Anschluss an unsere vierwöchige Zeit im St. Gabriel‘s Hospital teilten sich unsere Wege und wir bereisten für ein paar Urlaubstage Tanzania. Im Hinblick auf die atemberaubende Natur und Vielfalt der Nationalparks, des Kilimandscharo und der traumhaften Strände auf Sansibar war das nach vier Wochen Arbeit absolut empfehlenswert.

Wir möchten uns zum Schluss bei allen bedanken ,die dazu beigetragen haben, dass der Einsatz so gut geklappt hat. Besonders bedanken möchten wir uns bei Nina, Anja, Matthias und Dominik, für ihren unermüdlichen Einsatz, die strukturierte Organisation und ihre wertvollen Ratschläge zu jeder Zeit!

Auch wenn im Voraus der Aufwand riesig und mühsam war, können wir im Nachhinein von eindrücklichen Erlebnissen und Erfahrungen berichten, die wir nicht missen möchten. Malawi steht am Anfang einer guten Entwicklung, welche aber noch viel Kraft und Mühe für alle Beteiligten bedeutet, um den Menschen dort ein würdevolles Leben ohne Hunger und Not zu ermöglichen. Auch wenn die Arbeit teilweise zermürbend und anstrengend war, freuen wir uns, einen kleinen Teil zum Gesamten für die Menschen dort beigetragen zu haben, und hoffen mit den vielen Materialien den Grundstein für eine permanente Zahnarztstation in Namitete gesetzt zu haben. In diesem Sinne möchten wir uns fürs Erste Verabschieden – vom Land der untergehenden Sonne!

 

Nik, Marc, Yannick, Harald, Manuel und Verena

 

Besonderer Dank geht an unsere Familien und privaten Spender. Ohne ihr Geld hätte unsere Hilfe nicht stattfinden können. Ebenfalls geht unser Dank an folgende Firmen, die uns mit ihrer Spende unterstützt haben:

Firma Frielitz Fahrzeugbau und Zubehör GmbH, Solutio GmbH, Anton Gerl GmbH, Dr. Jean Bausch GmbH & Co. KG, Hilfswerk Deutscher Zahnärzte, M+W Dental, NTI-Kahla GmbH, Dentsply Sirona, Dent-o-care, Henry Schein, Garrison-Dental , Dürr-Dental, Voco, Tandex, Haereus Kulzer, Ivoclas Vivadent GmbH, Lege Artis Pharma GmbH & Co. KG, Tandartspraktijk Transvaal mit Herrn Samed Atay.

Explizit möchten wir uns auch noch bei Fr. Dr. Jakob bedanken, die uns einen Großteil unseres benötigten Inventars aus ihrem Privatvermögen gespendet hat.

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