Bericht
Nachdem wir uns entschieden hatten, einen Hilfseinsatz mit Planet Action in Malawi zu absolvieren, kam das Team durch die wunderbare Betreuung des Vereins schnell in Kontakt: zu unserer Gruppe gehörten neben den beiden ZFAs Julia und Nina, die zwei Zahnmedizinstudentinnen Sonja und Carla, sowie die drei Zahnärzte Inga, Ulrich und Hans mit seiner Frau Angie. Schon nach dem ersten Skypedate waren die Aufgaben verteilt und das ganze Team Feuer und Flamme für den Einsatz im März 2019.
Danach ging es los, Spenden zu akquirieren, Impfungen aufzufrischen, Versicherungen abzuschließen und den Reisekostenzuschuss des DAAD zu beantragen. Hierbei konnten wir uns sehr gut an dem strukturierten Einsatzhandbuch orientieren.
Nach etwa einjähriger Planung ging es für uns am 08.03.2019 endlich auf nach Afrika. Mit Ethiopian Airlines flogen wir mit Rucksack und Sachspendenkoffer nach Lilongwe, der Hauptstadt Malawis, und fuhren von dort aus weiter in das etwa eine Stunde westlich gelegene Dorf Namitete zum St. Gabriel’s Hospital. Das Dorf ist recht klein und sehr christlich. Durch das Krankenhaus sind die Einheimischen zwar an Weiße gewöhnt, wir hielten es jedoch trotzdem für respektvoller, uns angemessen zu kleiden. Dies war allerdings bei den meist angenehmen 25-30 Grad kein Problem.
Untergebracht waren wir in einem der Schwesternheime direkt am Krankenhaus, das in den nächsten vier Wochen zu unserem Zuhause wurde. Den Tag begannen wir meistens mit einer gemeinsamen Runde Frühsport, in der Mittagspause wurde auf der Terrasse gelesen oder die Sonnenstunden genossen und am Abend haben wir zusammen gekocht. Zu Beginn teilten wir das Haus mit einem deutsches Ärztepaar, von denen wir spannende Geschichten aus der Chirurgie und Gynäkologie erzählt bekamen. Zum Beispiel die Tatsache, dass jeder zu operierende Patient einen Bekannten oder Verwandten mit gleicher Blutgruppe mitbringen muss, um eine Bluttransfusion gewährleisten zu können. Da natürlich niemand vorher weiß, ob die Blutgruppen übereinstimmen beziehungsweise das nicht vorher organisiert wird, kommt jeder Patient mit mindestens zwei bis drei Angehörigen, die sich dann tagelang auf dem Krankenhausgelände aufhalten und dabei unter anderem die Verpflegung des Patienten übernehmen müssen. Falls kein passender Spender dabei ist, gehen alle wieder nach Hause.
Am ersten Tag nutzten wir die Zeit, während die Ärzte ihre Arbeitsgenehmigung beim Medical Council in Lilongwe beantragten, um unseren Behandlungsraum zu putzen und mit vier einfachen Liegen, einer mobilen Einheit und unserer neu erstandenen Absauganlage einzurichten. Nun konnten wir mit den Behandlungen beginnen und die Patienten erschienen sehr zahlreich. Dank der großartigen Krankenhausmitarbeiter James, Amy und Priscilla lief auch die Kommunikation einwandfrei und wir kamen mit unseren spärlichen Chichewa-Kenntnissen, die aus den drei Worten „Dzanzi“, „Tsekulani“ und „Tseka“ („taub“, „öffnen“ und „schließen“) bestanden, gut durch den Arbeitstag.
Da es in Malawi keine Krankenversicherung und wenig Bewusstsein für Mundhygiene gibt, waren die Zähne der meisten Einheimischen stark kariös zerstört und mussten überwiegend extrahiert werden. So erwarteten uns zunächst sehr arbeitsreiche Tage. Schließlich kam es bei einem Patienten aufgrund unserer begrenzten technischen Gegebenheiten und des fehlenden Röntgengeräts vor Ort zu einer erschwerten Extraktion und wir fuhren mit ihm ins Central Hospital nach Lilongwe. Dort missbilligte man leider unsere Arbeit und hinterfragte die Zulassung unserer Ärzte beim Medical Council. So gerieten wir in die Welt der malawischen Bürokratie und Behördenschikane und mussten unsere „Praxis“ erst einmal schließen. Nach einigem Hin und Her und viel Warterei konnten wir die Situation zum Glück entschärfen und einigten uns mit dem Medical Council darauf, dass wir die Arbeit wieder aufnehmen durften, nachdem unsere Ärzte ein zweitägiges „Praktikum“ im Central Hospital absolviert hatten. Dieses als „Orientierung“ gedachte Praktikum, das anscheinend von jedem ausländischen Arzt absolviert werden muss, bevor er selber in Malawi praktizieren darf, offenbarte die schockierenden Zustände im Central Hospital: Neben katastrophaler Ausstattung (kaputte, verrostete oder abgebrochene Hebel und Zangen) und mangelnden Hygienezuständen (es fehlten sogar Seife und Desinfektionsmittel) überraschten besonders die geringe Patientenzahl und gelassene Arbeitshaltung – erschreckend bei einem Verhältnis von einem Zahnarzt zu 450.000 Einwohnern.
Nachdem diese bürokratische Hürde genommen war, konnten wir nun endlich weiterarbeiten und hatten am Ende der vier Wochen trotz der mehrtägigen Pause knapp 700 Patienten behandelt.
Neben der Arbeit im Krankenhaus fuhren wir dreimal mit Koffern voller Zahnbürsten und -pasten in örtliche Schulen, um dort Aufklärungsarbeit zu leisten und das Zähneputzen zu üben. Auch hier war die Armut des Landes deutlich zu sehen: Die Kleidung der Kinder war zerrissen, es gab weder Stühle noch Tische in den Klassenzimmern und bei einer Klasse von um die 150 Schülern besaßen nur etwa 5 bis10 davon eine Zahnbürste. Sie benutzen stattdessen den Finger oder kleine Hölzer – ohne Zahnpasta.
Fern von Behandlungs- oder Behördenstress verbrachten wir die Wochenenden meist mit dem ganzen Team am See und konnten die Seele baumeln lassen. Egal ob im nördlichen Nkhata Bay oder im südlicheren Cape Maclear, zeigte sich das Land zu dieser Zeit (Ende der Regenzeit) von seiner schönsten und grünsten Seite. Wir genossen bei herrlichem Wetter Schnorchelausflüge, Bootstouren und leckeres Essen oder beobachteten das afrikanische Treiben am See. Als Highlight feierten wir Ingas Geburtstag am letzten Wochenende alle gemeinsam mit ausgezeichnetem Kuchen und dem ein oder anderen Gläschen Wein.
Insgesamt blicken wir nun – besonders dank unseres wunderbaren Teams - auf vier unglaublich lehrreiche, spannende und schöne Wochen in Malawi zurück, bei denen wir nicht nur auf zahnärztlicher Ebene viel lernen konnten, sondern auch viele Einblicke in die afrikanische Mentalität bekamen.